Ein herzliches Hallo an Dich,
Heute möchte ich Dich einladen, mir auf eine Reise in die unglaublich perfekten und komplexen Strukturen Deines Gehirns zu folgen. Schauen wir einmal, wo das Lampenfieber herkommt, bzw. wie es entsteht und durch welche Symptome es sich bemerkbar macht. Also - woran erkennst Du, dass Du Lampenfieber hast? Starkes Lampenfieber oder Bühnenangst sind ja deshalb nur so unangenehm, weil sie mit den dazugehörigen typischen Symptomen einhergehen. Diese Symptome sind einer ausgeklügelten, unbewusst ablaufenden Reaktion des Gehirns auf Angst bzw. Stresssituationen geschuldet und haben unseren Vorfahren oftmals das Leben gerettet. Nun magst Du denken, dass es in Stress- oder Angstsituationen nicht besonders dienlich für Dich ist, verstandesgemäß zu wissen, was gerade bei Lampenfieber in Deinem Gehirn und Deinem Körper passiert und zu wissen, dass Du diese Reaktion nicht bewusst steuern kannst. Du kannst es aber auch anders sehen.... das Wissen darum ermöglicht es Dir, viel gezielter zu überlegen, an welcher Stelle des gesamten Prozesses welches Verhalten und welche Maßnahmen gerade erfolgversprechend sein könnten, damit Du Dein Lampenfieber beherrschst und nicht Dein Lampenfieber Dich! Und nun folge mir auf eine Reise in Dein Wunderwerk Gehirn! Ich vermute einmal, dass Du bereits weißt, dass das Ziel unseres Gehirns ist, unser Überleben zu sichern und in Notsituationen, die unser Überleben gefährden, Handlungsoptionen und somit die Chance auf überleben zu haben. Und sicher hast Du auch bereits von der sogenanntem Kampf-Flucht- Erstarrungsreaktion gehört. Lass‘ uns genau hier eintauchen. Was passiert also in Deinem Körper, wenn Gefahr droht? Nehmen wir einmal an, Du siehst einen Hund, der bellend oder zähnefletschend auf Dich zuläuft. In diesem Augenblick signalisieren Dir Deine Sinnesorgane, also Deine Augen und Ohren, beim Anblick des Hundes oder beim Hören des Bellens, Gefahr. Diese Signale werden an einen winzig kleinen Teil Deines Gehirns weitergeleitet, den „ Locus coeruleus“. Übersetzt bedeutet das soviel wie „himmelblaues Zentrum“ oder „himmelblauer Ort“. Klingt schön, nicht wahr? Das kommt daher, dass diese Region blau durchscheinend ist.... dieser kleine Teil sitzt in der ältesten Region Deines Gehirns überhaupt. Im Hirnstamm. Das himmelblaue Zentrum, schüttet bei Gefahr sofort Noradrenalin aus, welches den Körper in einen sehr aktiven, wachen und bewussten Zustand versetzt. Die Wirkung dürfte ungefähr 10 mal so stark sein wie die von Red Bull... Gleichzeitig alarmiert das himmelblaue Zentrum das limbische System, welches für unsere Emotionen verantwortlich ist, insbesondere den Mandelkern. Der Mandelkern, auch Amygdala genannt, sitzt ebenfalls im Stammhirn und ist das Angstzentrum Deines Gehirns. Der Mandelkern weiß aufgrund seiner langen Existenz im menschlichen Gehirn sehr wohl, wie wichtig es ist, in Gefahrensituationen lebenserhaltend zu reagieren. Auch wenn wir mit Säbelzahntigern und ähnlich gefährlichen Tieren in der heutigen Zeit seltener in Berührung kommen, funktioniert das Verteidigungssystem unseres Stammhirns nach wie vor auf die gleiche Art und Weise. Innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde checkt Dein limbisches System alle Informationen, die in Deinem Gedächtnis gespeichert sind und überprüft Deine Erinnerungen einschließlich der dazugehörigen Gefühle auf bereits vorhandene Erfahrungswerte . Wenn der knurrende Hund nun an Dir vorbei rennt oder Du erkennst, dass es der Hund Deines Nachbarn ist, erhält der „Locus coeruleus“ die Information, dass keine Gefahr besteht und drosselt sofort wieder die Ausschüttung des Noradrenalins. Die Körpersysteme, die sich auf die höchste Alarmstufe vorbereitet hatten, kehren wieder in den normalen Zustand zurück. Das, was ich hier gerade beschrieben habe, kann man sich vielleicht am ehesten am Beispiel der sogenannten Schrecksekunde vorstellen. Wir wissen alle selber sehr gut, wie es sich anfühlt, wenn einem der Schreck in die Glieder fährt und dass es doch etwas Zeit braucht, bis die Körperfunktionen auf normal zurück gefahren sind. Wenn die Überprüfung durch das limbische System allerdings die Gefahr bestätigt, dann geht’s erst richtig los... die Amygdala aktiviert, wie eine Art Rauchmelder, ganz schnell das autonome oder auch vegetative Nervensystem, dass ernsthaft Gefahr im Verzug ist! Das heißt deshalb autonom, weil es ohne unseren bewussten Einfluss agiert...das heißt, spätestens an dieser Stelle, können wir nicht mehr eingreifen, weil hier unbewusste Prozesse ablaufen, die durch Verstand und Denken nicht mehr zu steuern sind! Das ist insofern von Bedeutung, als dass man sich bewusst machen muss, dass sehr starkes Lampenfieber oder Bühnenangst in den Symptomen solch einer Gefahrensituation gleicht! Nun wird vielleicht auch klar, wieso bei Panik oder Bühnenangst wohlwollende Worte wie:“ Du brauchst doch nicht aufgeregt sein“...“Du schaffst das schon“... „Du kannst das doch“ .... überhaupt nicht helfen !!! Das sind alles Aussagen, die direkt an unseren Verstand gerichtet sind...und der hat gerade nichts zu melden.... Das vegetative Nervensystem hat hier völlig die Führung und Kontrolle übernommen-vorbei am „Denkhirn“. Jetzt ist nicht die Zeit, um sich gemütlich ins Gras zu legen und über die Fellfarbe oder die Geschwindigkeit des herannahenden Hundes nachzudenken. Jetzt ist Alarm angesagt. Die Amydala kurbelt eine Hormonproduktion an, die den gesamten Körper in den Kampf-oder Fluchtmodus versetzt. Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol werden produziert, Vielleicht stockt Dir der Atem, das Herz beginnt zu rasen, der Blutdruck steigt, der Muskeltonus erhöht sich ,Du hast keinen Hunger mehr, dafür könntest Du jetzt einen Sprint rennen oder einen umgefallenen Baum heben. Und so ganz „nebenbei „ kommuniziert Deine Amygdala direkt mit dem Hippocampus. Hippocampus heißt nichts anderes als Seepferdchen...und dieses niedliche Seepferdchen ist u.a. verantwortlich für die Gedächtnisbildung. Der Hippocampus registriert alle neuen Informationen und gleicht diese mit bereits gespeicherten ab. Das führt dazu, dass ähnliche oder leicht veränderte Informationen alte Erinnerungen reaktivieren und mit diesen verknüpft, vermischt und neu abgespeichert werden. Dies führt zum einen zu einer durch die Verknüpfung stabileren Gedächtnisspur, zum anderen aber auch bei jedem Abruf zu einer leicht veränderten Erinnerung. Im Falle einer Vorspiel-oder Prüfungssituation, die extrem negative Erfahrungen mit sich gebracht hat, bedeutet dass, dass alle folgenden „ansatzweise ähnlichen“ Situationen mit dieser verglichen werden und in die gleiche Schublade gepackt werden...getreu dem Motto:...das hatten wir schon mal...kenne ich bereits...das geht so oder so aus und fühlt sich xy an...und in diesem Fall wird jede neue Erfahrung mit der alten verglichen und verknüpft...so wird die Gedächtnisspur eben leider auch hier ungünstigerweise immer stabiler... die Situation hat sich als Erinnerung in die tiefsten Winkel Deines Gehirns eingebrannt und wird sofort bei ähnlichen wieder aufblitzen... Durch die hohe Ausschüttung von Stresshormonen wird es dem Hippocampus regelrecht eingetrichtert:.... Nicht vergessen! Diese Situation bedeutet Gefahr!!! Dies ist also die Stressreaktion Deines Körpers! Doch was passiert, wenn eine Situation sich so bedrohlich anfühlt, dass man sich hilflos fühlt? Das man das Gefühl hat, der Situation ausgeliefert zu sein, handlungsunfähig? Es gibt Situationen, in denen ist Kampf und Flucht keine Option. Die erlebten Situationen können von außen betrachtet harmlos wirken – entscheidend ist die innere Wahrnehmung. Mir fallen gleich ein paar Beispiele zur Verdeutlichung ein. Schüler/Lehrer...Eltern/Kind .... Es gibt zwei Möglichkeiten, wie der Körper darauf reagieren kann. Entweder erleben wir einen Zustand der Überaktivierung oder von Angst überwältigt schalten wir innerlich ab wie ein elektrisches Gerät, indem es durch überhöhten Stromfluss zu einem Kurzschluss kommt. Für diese Reaktion verantwortlich ist der Vagusnerv. Wenn wir weder kämpfen noch fliehen können, weil wir uns vollkommen hilflos fühlen und jede Hoffnung auf Rettung verloren glauben, kollabieren wir und erstarren. Bei uns Menschen bezeichnen wir diesen Zustand als Trauma. Erinnern wir uns daran, dass es sich um eine autonome oder automatische Reaktion handelt, wir können sie nicht bewusst steuern. Anders als unter Stress wird bei solch einer großen emotionalen Belastung der Betroffene in einen sogenannten Isolationszustand versetzt, mit dessen Hilfe die Natur versucht Schmerz zu dämpfen. Wir Menschen sind bei einem Trauma gleichzeitig überaktiviert und wie in einem Nebel gehüllt. Unser Denken versagt uns komplett den Dienst. In solchen Situationen finden wir häufig keine Worte und verlieren das Raum und Zeitgefühl, wie erstarren in einem Zustand simultaner Aktivierung und Dissoziation. Nach einer einzigen Erfahrung dieser Art wird die Kampf- oder Fluchtreaktion nur allein durch Erinnerungen oder Gedanken an das ursprünglich Ereignis oder durch entsprechende Fantasien aktiviert. Das erklärt, warum Musiker, die eine traumatische Erfahrung erlebt haben und seither unter akuter Bühnenangst leiden, in die Vermeidung gehen. Schon allein der Gedanke an ein Konzert oder eine Prüfung in der Zukunft und ein damit erneutes Scheitern ist eine Horrorvision. Und um zum Abschluss unseres kleinen Exkurs in Dein Gehirn dem Ganzen die Krone aufzusetzen, lass mich noch eine Anmerkung machen. Wir sind nach heutigem Wissensstand zu urteilen, als einzige Spezies in der Lage, Bedenken in die Zukunft zu projizieren, zu grübeln und furchtsame Zweifel zu hegen, und somit den Stress-Zyklus dadurch nahezu ununterbrochen in Gang zu halten. Stellt sich abschließend die Frage, was tust du mit diesen Informationen über Deine Körperreaktion? Zuallererst ist es für Dich vielleicht interessant zu wissen, wie Dein Gehirn und somit Dein Körper funktioniert. Zweitens bestünde eine Möglichkeit darin, dass Du dich jetzt weiter mit der Materie beschäftigst, weil Du Dein Lampenfieber loswerden willst. Dafür gibt es sehr gut funktionierende Methoden. Wenn Du Neugierig geworden bist, dann bleib dabei und freue Dich auf meinen nächsten Beitrag. Deine Kathrin |
Über mich Wieso ich über Lampenfieber schreibe? Weil es nervt, Kraft kostet und weil ich es liiiiiebe, Musik zu machen. Grund genug, meine Erfahrungen auf dem Weg zum Musizieren ohne Bühnenangst mit allen Interessierten zu teilen. Ja - es gibt eine Leben ohne Lampenfieber! Ich zeige es Euch. Archiv
August 2022
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